Der eigene Körper

Mein Körper geht dich nichts an!

Triggerwarnung: In diesem Blogeintrag geht es, unter anderem, um Essstörungen!

Vor ein paar Wochen habe ich mich in Quarantäne befunden, da meine ganze Familie an Corona erkrankt war. Ich war alleine in meiner Wohnung in Quarantäne, da ich die einzige negativ-getestete Person war. Mein Mitbewohner zog für diese Zeit bei seiner Familie ein, um weiter arbeiten zu können. Während der Quarantäne ist mein Opa an Corona verstorben. Ich befand mich in einem absoluten Schockzustand und hatte dadurch über mehrere Wochen kein Hungergefühl mehr. Ich aß nur noch etwas, um meinen Kreislauf den Tag über irgendwie oben zu halten. Dadurch habe ich ziemlich viel abgenommen. Ich selbst bemerkte den Gewichtsverlust anfangs gar nicht. Bis ich dann darauf angesprochen wurde.

„Du hast abgenommen, oder?“, „Dein Gesicht ist ganz schlank geworden. Siehst gut aus.“, „Warst du schon immer so schlank?“ waren nur ein paar Sätze die ich hören musste. Ich verwende hier ganz bewusst das Wort „musste“ denn mich triggerten diese Sätze extrem. 

Während meiner Jugend litt ich an einer Essstörung. Die Anerkennung für meinen Körper war mir damals total wichtig und ich fühlte mich erst dann richtig von Gleichaltrigen akzeptiert, wenn sie meinen Körper positiv beurteilten und ich Bestätigung bekam. Mittlerweile habe ich ein sehr gesundes Verhältnis zu meinem eigenen Körper. Und darauf bin ich sehr stolz, da es ein langer Weg war meinen Körper so zu akzeptieren, wie er ist. Als ich dann durch den kürzlichen Gewichtsverlust viele Komplimente bekam, kamen alte Gedanken wieder hoch. Gedanken wie „Jetzt habe ich endlich das Gewicht, dass andere schön finden“ oder auch „Ich muss jetzt stark darauf achten, dieses Gewicht zu halten.“ Diese Gedanken machten mir totale Angst, denn ich wollte nicht wieder in eine Essstörung rutschen. Vor allem in der Zeit nach der Quarantäne, als mein Hungergefühl immer noch weg war, hatte ich Angst, dass ich mich wieder im Strudel meiner Essstörung befand und ich mir nur einredete keinen Appetit zu haben. Natürlich meinten es die Personen, die mir die Komplimente machten, nicht böse. Und genau das ist das Problem! In unserer Gesellschaft gilt der schlanke Körper leider immer noch als DAS angestrebte Schönheitsideal und abnehmen wird als etwas positives empfunden. Gewichtsverlust kann allerdings mehrere Gründe haben, die vor allem auch negativ sein können. Das wird in der Gesellschaft aber oft außer Acht gelassen oder es wird gar nicht erst darüber nachgedacht. Dadurch, dass Abnehmen so positiv konnotiert ist, meinen viele Personen, sie tuen ihrem Gegenüber etwas Gutes, wenn sie den Gewichtsverlust ansprechen. An meinem Beispiel kann man jedoch sehen, dass das Gegenteil der Fall sein kann. Ähnlich wie bei einem trockenen Alkoholiker bleibt eine Essstörung das ganze Leben und es gibt Situationen, die stark triggern können, sodass die Essstörung erneut aufritt. Deshalb sollte man versuchen immer achtsam mit solchen Fragen umzugehen. 

Nicht nur für Personen mit einer Essstörung sind wertende oder eigentlich gut gemeinte Kommentare ein Triggerpunkt. Anhand meiner Umfrage auf Instagram habe ich bemerkt, dass dieses Thema alle Geschlechter und fast alle Altersgruppen interessiert. Nur weil man keine Essstörung hat, heißt es nicht, dass man sich nicht mit seinem Gewicht beschäftigt. Es gibt viele Menschen, die nie eine Essstörung haben und sich trotzdem seit Jahren mit ihrem eigenen Gewicht beschäftigen und für die Sätze wie „Hast du abgenommen? Sieht gut aus!“, ebenfalls Trigger sein können. 

Gerade durch Instagram sind wir motiviert dazu, das Aussehen anderer ständig zu beurteilen. Und wir denken das ist okay. Schließlich teilen diese Menschen Bilder von sich auf Instagram und wollen das man diese sieht und im besten Fall auch noch ein Like und einen Kommentar dalässt. Aber nur, weil man ein Bild auf Instagram postet, heißt das nicht, dass man Kommentare zu seinem Körper beziehungsweise, zu seinem Gewicht haben möchte. Oft geht es bei Instagramposts nämlich um ein Outfit, eine neue Frisur oder etwas ganz anderes. Ein Outfit zu kommentieren ist allerdings etwas anderes, als den Körper oder das Gewicht zu kommentieren. Das Outfit kann man sich aussuchen, seinen Körper nicht!

Natürlich gibt es auch Menschen, die sich noch nie in ihrem Leben Gedanken über ihr Gewicht gemacht haben oder machen mussten. Für solche Menschen sind Kommentare bezüglich des eigenen Körpergewichts wirkliche Komplimente und sie freuen sich darüber oder es tangiert sie nicht einmal.

Das Problem bei der ganzen Sache ist: Du kannst nie wissen welche Hintergründe ein Gewichtsverlust hat. Eine Essstörung kann man Menschen nicht immer ansehen. Denn nicht immer sind essgestörte Menschen extrem schlank oder extrem dick. 

Das bedeutet nicht, dass du Menschen nie wieder fragen solltest, ob sie abgenommen haben. Aber du solltest vorsichtiger mit solchen Fragen oder „Komplimenten“ umgehen, da du nie weißt, was deine Worte in den Menschen auslösen können. 

Sollte dir ein starker Gewichtsverlust von eine*r Freund*in auffallen und du hast wirklich Interesse daran, dann frage den*die Freund*in nicht „hast du abgenommen?“, sondern ganz aufrichtig und vielleicht sogar liebevoll „Wie geht es dir momentan?“. Anhand der Antwort wirst du bemerken, in welchem Gemütszustand sich dein*e Freund*in gerade befindet. Entweder es geht der Person momentan gut und sie*er macht vielleicht sogar viel Sport in letzter Zeit und erzählt dir ganz aufgeregt von seinen*ihren Fortschritten. Oder der Person geht es momentan wirklich nicht gut. Dann kannst du der Person ein offenes Ohr anbieten. So wirst du sicher im Laufe des Gesprächs feststellen, was der Gewichtsverlust für Gründe hat.

Und falls nicht, dann geht es dich auch einfach nichts an! Denn niemand hat das Recht, einen anderen Körper zu beurteilen oder zu kommentieren. EGAL in welcher Beziehung man zu dieser Person steht.

Also versucht achtsam und rücksichtsvoll miteinander umzugehen, denn ich bin mir sicher, dass niemand von euch wirklich böswillig eine andere Person mit eigentlich gut gemeinten Komplimenten verletzen möchte.

Lots of Love and JOY,

Lina

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